1. Juni 2011
„Risikokinder“ – und die Antwort der Caritas darauf
Pädagogisch-Psychologischer Dienst in den Kindergärten greift
Passau: - Seit 1983 gibt es von Seiten der Caritas in Stadt- und Landkreis Passau ein Modellprojekt der besonderen Art, den „Pädagogisch-Psychologischen Dienst“, kurz PPD genannt.
Sinn und Zweck des PPD ist es, die Erzieherinnen in den Kindergärten zu unterstützen, wenn die Kinder Auffälligkeiten beim Sprechen, beim Lernen, Bei Bewegungen oder im Sozialverhalten zeigen. Durch Diagnostik, Förderung und Therapie, aber auch durch die Beratung der Eltern und des Kindergarten-Fachpersonals soll diesen Entwicklungs- und Verhaltensauffälligkeiten frühzeitig begegnet werden. Die Hilfe der Fachkräfte ist dabei organisatorisch in den Kindergartenbetrieb eingebunden. Für die Kinder bedeutet das, dass sie in der gewohnten Umgebung bleiben und nicht eigens eine Beratungsstelle aufsuchen müssen.
Als „Risikokinder“ werden im Allgemeinen Kinder mit besonderen Bedürfnissen und Auffälligkeiten, gleich welcher Art, bezeichnet. Unter dem Begriff sind Kinder zusammengefasst, die in ihrer Entwicklung, ihrem Verhalten, ihrem Gesundheitszustand oder ihrer familiären und sozialen Situation deutlich auffällig sind, ohne dass dies als eine Behinderung oder drohende Behinderung im sozialrechtlichen Sinn anzusehen ist.
Risikokinder sind im bayerischen Erziehungs- und Bildungsplan (BEP) als eine Gruppe von Kindern beschrieben, die in der Kindertagesstätte einer besonderen Beachtung und Unterstützung bedürfen. Dazu gehören die Früherkennung, der angemessene Umgang mit diesen Kindern und die Zusammenarbeit mit den Fachdiensten.
Jetzt gibt es eine erste repräsentative Erhebung, in der die Situation von Risikokindern in den bayerischen Kinderkrippen und Kindergärten analysiert wird. „RisKid-Analyse 2010“ nennt sich die Erhebung, die auch unter www.fruehfoerderung-bayern.de/projekte/riskid eingesehen werden kann. Initiiert wurde sie vom Staatsinstitut für Frühpädagogik sowie der Arbeitsstelle Frühförderung in München, gefördert vom Bayerischen Staatsministerium für Arbeit, Sozialordnung, Familie und Frauen.
Ein Drittel aller bayerischen Kindergärten, Krippen und Kinderhäuser wurden dabei in eine Zufallsstichprobe aufgenommen.
Demnach werden von den Erzieherinnen 22.8% der Kinder auf Grund der oben genannten Auffälligkeiten zur Gruppe der „Risikokinder“ gerechnet.
Im bayerischen Durchschnitt werden 60.4% dieser „Risikokinder“ von pädagogischen, psychologischen oder medizinischen Fachdiensten betreut. In der Stadt Passau liegt der Prozentsatz dank des PPD deutlich höher: 85.4% aller Risikokinder erhalten hier Betreuung und Förderung. Im Landkreis Passau erhalten 75.5% aller auffälligen Kinder Betreuung. Auch hier greift der Caritasdienst in Form des PPD.
Auch hinsichtlich der Zusammenarbeit äußern sich die Kindertagesstätten in der Stadt und im Landkreis Passau deutlich zufriedener als im bayerischen Durchschnitt. Sind Bayernweit 67.3% sehr oder überwiegend zufrieden mit der Kooperation mit den Fachdiensten, so erreicht der entsprechende Wert in der Stadt Passau sogar 95.4%. Die Erzieherinnen im Landkreis Passau sind zu 83.8% zufrieden mit der Zusammenarbeit.
Die Frage, ob die Kindertagesstätten die Leistungen der Fachdienste als ausreichend einschätzen, wird sowohl in der Dreiflüssestadt als auch im Landkreis Passau ebenfalls wesentlich günstiger beurteilt als vergleichsweise für den gesamten Freistaat.
Derzeit finden im Landkreis und der Stadt Arbeitskreise zum Thema PPD statt, zu denen die Erzieherinnen aus den genannten Regionen eingeladen sind. In diesen Arbeitskreisen wird u.a. auch über die vorliegende Erhebung berichtet, neue Erkenntnisse und Materialien zum Thema Entwicklung vorgestellt. Verbesserungsvorschläge, Lob und Kritik können ebenfalls eingebracht werden. Dadurch gibt der PPD einerseits neueste Erkenntnisse an die Erzieherinnen weiter und erhält andererseits von diesen wertvolle Rückmeldungen zur eigenen Weiterentwicklung.
Insgesamt 12 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter teilen sich im PPD sechs Vollzeitstellen. Das Mitarbeiter-Team besteht aus einer Dipl.-Psychologin, Heil- und Dipl.-Pädagoginnen sowie Erzieherinnen mit entsprechender Berufserfahrung und Zusatzausbildung.
Im 14-tägigen Rhythmus besuchen die einzelnen Mitarbeiterinnen die Kindertagesstätten in Stadt und Landkreis Passau. Das Kindergartenpersonal hat das ganze Jahr über die Möglichkeit, verhaltensauffällige Kinder vorzustellen. Die Eltern des Kindes müssen aber ihr Einverständnis erklären. Gutachten oder Überweisungen werden nicht benötigt.
„Das frühe Erkennen einer Auffälligkeit bedeutet auch, dass man die Eltern entweder beruhigen oder sehr bald frühe Hilfen einleiten kann“, erklärt Ursula Teisinger-Lorenz, Dipl.-Psychologin beim PPD. „Der PPD fällt damit unter das Stichwort „Prävention“, so die Caritas-Mitarbeiterin. „Der Zugang zum PPD ist völlig unkompliziert, weil unsere Mitarbeiter eben in die Einrichtung vor Ort kommen. Sehr oft stellen erfahrene Erzieherinnen von sich aus eine Auffälligkeit fest. Wir beraten sie, wie sie im einzelnen Fall damit umgehen können“, sagt Teisinger-Lorenz.
Im vergangenen Jahr wurden dem PPD-Team in Stadt- und Landkreis Passau 1.664 Kinder vorgestellt, von denen rund 800 gezielt gefördert wurden. Für leichtere Auffälligkeiten wird in kleinen Gruppen Förderung angeboten und durchgeführt. „Das ist auch für die Erzieherinnen eine große Entlastung“, weiß Ursula Teisinger Lorenz.
Finanziert wird der PPD in Stadt- und Landkreis Passau von den Kommunen, dem Freistaat Bayern und durch den Diözesan-Caritasverband Passau.
Die Gemeinden finanzieren den PPD mit bisher 36 Cent pro Einwohner und Jahr. Zugesagt sind die Zuschüsse bis August dieses Jahres. Jetzt müssen die Verhandlungen über eine weitere Bezuschussung mit den einzelnen Gemeinden neu aufgenommen werden.
Gerhard Krinninger, Dipl.-Psychologe und Leiter des Caritas-Frühförderungsdienstes, dem der PPD angegliedert ist, hofft, dass sich wieder alle Gemeinden in Stadt- und Landkreis an der Finanzierung beteiligen. „Wenn nicht, wäre das für die Risikokinder in unseren Heimatgemeinden ein großer Nachteil, weil wir dann dieses segensreiche Projekt nicht weiter aufrecht erhalten könnten“, so Krinninger, der aber überzeugt ist, dass sowohl die Gemeinden als auch die Stadt Passau um die Wichtigkeit und Dringlichkeit des PPD wissen.