Augsburg, 09.03.2007 (pca). Kaum einer will heutzutage im hohen Alter in ein Altenpflegeheim. Die meisten Menschen haben dabei Angst vor unpersönlichen, schematisch durchorganisierten alltagsfremden Einrichtungen, in denen man das eigene Ich aufgeben muss. Die größte Angst liegt darin begründet, als vielleicht schwerstpflegebedürftiger Mensch seine letzte Würde zu verlieren. Die CAB-Caritas Augsburg Betriebsträger gGmbH, in deren Trägerschaft 14 Altenpflegeeinrichtungen sind, hat diese Ängste sehr ernst genommen. Herausgekommen ist dabei das "Lebensweltkonzept". Es dreht das frühere Organisationsprinzip in Altenpflegeeinrichtungen, das Leben der alten Bewohner den betrieblichen Rahmenbedingungen unterzuordnen, völlig um.
"Die Wünsche und individuellen
Möglichkeiten bestimmen bei uns den Tagesablauf und unsere Arbeitszeiten",
erklärt Robert Freiberger, Leiter des Caritas-Seniorenzentrums St. Verena in
Augsburg, bei einem Informationsnachmittag für Vertreter der Sozialdienste der
Krankenhäuser, der Seniorenfachberatungsstellen der Stadt Augsburg, der
Sozialstationen der Caritas und der ambulanten Hospizdienste. Ein Novum war
schon die persönliche Begegnung an sich. "Wir haben hier noch
Nachholbedarf", gestand Freiberger. Die CAB habe sich als Ziel gesetzt,
sich mit den verschiedenen künftig besser zu vernetzen und regelmäßig
Informationen auszutauschen.
Das "Lebensweltkonzept" ist
mehr als nur ein Profil. Es ist eine Umkehr der Altenpflegeeinrichtungen. Das unterstrichen
Michaela Gamm, zuständig bei der CAB für Grundsatzfragen der Pflege, und Doreen
Vogt, die den Sozialdienst in St. Verena verantwortet, gemeinsam mit
Freiberger. Bis vor wenigen Jahren hatte sich der Bewohner einem einheitlich
vorgeschriebenen Organisationsschema unterzuordnen. Pflege und Fürsorge
unterlagen dem strengen Zeitdiktat wie auch den Bemühungen, alle Prozesse
betriebswirtschaftlich und organisatorisch zu optimieren. Das Lebensweltkonzept
der CAB dreht den Spieß um. "Der Bewohner bestimmt unseren Zeitplan",
so Freiberger.
"Es entsprach doch nicht dem Lebensalltag
der alten Menschen, schon um sechs Uhr morgen zu frühstücken oder um 16.30 Uhr
das Abendessen einzunehmen." In St. Verena wie auch den anderen
CAB-Häusern dürfen die Menschen frühstücken, wann sie wollen. Das Abendessen
gibt es nun um 18.00 Uhr. Das erfordert unter anderem eine Umstellung der
Dienstpläne. 40 unterschiedliche Dienstzeiten gibt es nun in St. Verena.
Kern- und Angelpunkt des Konzeptes ist
die "Präsenzkraft". Dabei wird eine Pflegekraft aus der Schicht
herausgelöst. Sie frühstückt gemeinsam mit den Bewohnern wie zuhause - ohne
Tablett. Sie decken gemeinsam den Tisch, lesen Zeitung, bereiten einen Salat
für das Mittagessen vor, machen Spiele, backen Kuchen oder sprechen
einfach miteinander. "Wie sie es eben von zuhause kennen", so Vogt.
Das hat "äußerst positive Folgen". Nicht nur die Wohngemeinschaft
blüht auf. Selbst demente Menschen, so stellte Vogt fest, werden ruhiger,
schreien weniger und sprechen wieder ganze Sätze. "Sie werden wieder
wacher." Auch weniger mobile Bewohner zeigten eine neue Bewegungsfreude.
Obwohl eine Präsenzkraft der Pflege
unmittelbar entzogen wird, profitieren die anderen AltenpflegerInnen. Sie
können sich heute viel intensiver um die zu pflegenden Menschen in den Zimmer
kümmern als früher. Da die Präsenzkraft zusammen mit den anderen im
Wohnzimmerbereich aktiv ist, haben diese keinen Anlass, eine Pflegekraft
herbeizurufen. "Alle Pflegekräfte machen bei uns diesen Wandel mit
Begeisterung mit. Jetzt können sie nicht nur fachliches Wissen unterstreichen, sondern
auch ihre verschiedensten menschlichen Begabungen zum Vorteil und zur Freude
unserer Bewohnerinnen und Bewohner einbringen", sagt Freiberger. Für ihn
gilt: "Die Pflege ist die Basis, die Gestaltung der Lebenswelt für die
älteren Menschen in unseren CAB-Häusern ist die Kür."